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Leseprobe für das Buch Die Brombeerhecke von Sefi Schöndorfer:

Eine weißgelbe Sichel stand hoch am nachtdunklen Himmel, als etwa fünfundzwanzig ärmlich gekleidete Menschen in Villach aus dem Personenzug stiegen. Ein kleines Mädchen mit fast nur Lumpen am Körper sieht verstohlen zum Mond hinauf und es hatte den Anschein, als wäre selbst dieser Blick den Menschen verboten. Unsicher und unschlüssig standen sie nun da und sahen dem davonfahrenden Zug nach.
Gegenseitige Blicke trafen sich immer in der Hoffnung, dass einer Bescheid wusste oder mit einem brauchbaren Rat dienen konnte. Die Lichter eines vorbeifahrenden Zuges glitten schemenhaft über die Gestalten hinweg, verloren sich sehr schnell im Dunkel, als müssten sie sich ihrer Schäbigkeit schämen. Die Kinder wurden ungeduldig und zogen an den langen Röcken oder Mänteln der Mütter. Weiße Hauchwolken verbreiteten sich, denn es war Januar und bitterkalt.
Sie marschierten schweigend los und betraten den ungeheizten Wartesaal. Auf grobgezimmerten Bänken nahmen sie Platz. 'Es hat doch geheißen, wir werden abgeholt', sagte eine Männerstimme aus der Gruppe. Die Männerstimme gehörte einem jungen Mann, der bestimmt noch keine zwanzig Jahre alt war. Mit servilem Blick betrachtete er die Gruppe, die wiederum in sein hageres, abgemagertes Gesicht starrte.
Irgendwie murmelten alle was, aber deshalb veränderte sich ihre Lage auch nicht. Die kleineren Kinder drückten sich müde an die Mütter. Einige weinten vor Hunger, Kälte und Müdigkeit. 'Es wird uns schon noch irgendwer abholen', sagte eine ruhig klingende Frauenstimme. 'Man hat es uns doch versprochen.'
'Ach Charlotte! Du vergisst, dass wir das Jahr 1947 schreiben. Vielleicht hat man hier gar kein Fahrzeug mehr. Der Krieg hat doch alles zerstört. Und was weißt du von Villach?', wollte die wohl älteste Frau aus der Gruppe wissen.
'Du hast Recht, Mutter. Ich weiß nichts. Wir alle wissen nichts', meinte Charlotte und schwieg wieder, wie alle anderen auch.
'Mir ist kalt, Mutter', sagte ein bildhübsches, blondes Mädchen mit langen Zöpfen. Sie zog den abgetragenen Mantel fest an ihren Körper.
'Wir haben es bestimmt bald besser', meinte Charlotte zu ihrer Tochter. Sie nahm die kalten Hände der Fünfzehnjährigen und rieb sie warm. 'Besser?', fragte sie kurz und blickte in zwei blaue Augen. 'Die Füße sind genauso kalt.'
'Hab Geduld, Kind. Es kann nicht mehr lange dauern', sagte Charlotte zu ihrer Tochter und verpackte deren Hände fürsorglich unter dem Mantel.
Das junge Mädchen schnattert und drückt sich enger an die Mutter. 'Man hat uns vergessen', flüstert sie leise und erhascht vielsagende Blicke.
Die Köpfe der Flüchtlinge drehen und wenden sich in alle Richtungen. Martha erhebt sich und geht auf den Ausgang zu. 'Kind, bleib da', warnt Charlotte. 'Ich geh schon nicht weg!' Sie sah durch die Tür und erblickte die riesige Menge Neuschnee. Sie sah auch, wie ein alter, klappriger Lastwagen vor dem Haupttor hielt und ein junger Mann das Führerhaus mit einem sportlichen Satz verließ. Er war groß, freundlich und sympathisch. Seine Kleidung war nicht besser als die der wartenden Flüchtlinge.
'Na, kleines Fräulein', und er lachte dabei. 'Gehörst du auch zu der Gruppe, die ich abholen soll?', wollte er wissen und klopfte sich die schweren genagelten Schuhe ab. 'Ja', sagte Martha kurz. Mehr fiel ihr nicht ein. 'Ja!', sagte sie noch einmal und ging mit dem Fremden auf die Gruppe zu.
'Guten Abend', grüßte der Fahrer freundlich und seine Worte hatten den gleichen Akzent, der auch beim Sprechen der Flüchtlinge zu vernehmen war. 'Ich soll Sie abholen. Leider hat es so viel Schnee und es war kein Durchkommen', entschuldigte er sich. 'Ist es weit bis ins Lager?', fragte ein junger Bursche ungeduldig.
'Nein, nein! Nicht weit, aber der Neuschnee', sagte der Fahrer. Er nahm einer Frau, die ein Kleinkind auf dem Arm hatte, den schäbigen Koffer ab und verließ mit ihnen den Bahnhof. Die kleine Gruppe stapfte knietief durch den Schnee auf den alten Lastwagen zu, dessen Motor noch lief. Die Plane, die die Ladefläche überdeckte, hing teilweise in Fetzen herunter. 'Kommen Sie!', sagte er zu der Frau mit dem Kleinkind. 'Sie können vorne bei mir sitzen. Es zieht dort nicht so.' Er half ihr beim Einsteigen und reichte das schlafende Kind nach. Danach begab er sich wieder nach hinten und öffnete den Verschlag. Hinten auf dem Laster standen Kisten, ein paar Fässer und Bänke. Er half den Frauen und den Kindern beim Aufsteigen. Die jungen Burschen, die dabei waren, schwangen sich mühelos auf den Wagen. 'Wie weit ist es?', wollte Charlotte wissen. 'Im Sommer zehn Minuten, heute kann es schon eine Stunde dauern', sagte der Fahrer, warf noch einen Blick auf Martha und ging nach vorne. 'Verdammt hübsch, die Kleine', dachte er sich und stieg in sein Führerhaus.
Mit hellem Licht ratterte er über die tiefverschneite Straße, vorbei an zerbombten Häusern. Um den Bahnhof herum war überhaupt viel zerbombt. Der Fahrer hatte Mühe, den Lastwagen einigermaßen durch den hohen Schnee zu lenken. Hinten auf dem Wagen rumpelten die Kisten und Fässer. Die Leute fror es und sie drückten sich enger aneinander. Manchmal blieb der Wagen fast stecken. 'Bloß das nicht', flüsterte jemand. Doch alle konnten es hören. 'Mit ein bisschen Glück schaffen wir auch das noch.' Mondbeschienene, fahle Schneeeinsamkeit folgte dem Lastwagen durch die hintere Öffnung der Plane. Unwirklich und bedrückend folgte die weiße Leere und Ausgestorbenheit. Das Auto hatte im Schneckentempo die Stadt hinter sich gelassen. Man sah keine Lichter mehr. Die Menschen kauern ängstlich auf ihren Plätzen und denken an die ungewisse Zukunft. Der Wagen hält ruckartig. Er hat sich festgefahren. Nur eine kleine Steigung, aber es schien, dass es vorerst nicht weiterging. Der Fahrer kam nach hinten. 'Wir müssen die Räder freischaufeln. Die jungen Männer herunter!' Er griff unter die Bänke und brachte drei Schaufeln zum Vorschein. 'Hier! Los!' Auch Charlotte stieg vom Wagen. 'Haben Sie für mich auch noch eine Schaufel?', fragte sie den Fahrer. 'Sie brauchen nicht helfen', lehnte der junge Mann ab.
'Doch, doch! Dann geht es schneller!', beharrte sie. Schaufel für Schaufel mit Schnee warfen sie zur Seite. Selbst Charlotte kam bei der Arbeit nun ins Schwitzen. Mit den gestrickten Handschuhen fuhr sie sich über die nasse Stirn. Sie wischte den Schweiß ab und strich die blonden Haare zurück. 'Wir versuchen es, es müsste reichen', meinte der Fahrer und warf sämtliche Schaufeln auf die Pritsche des Lastwagens. 'Aufsitzen!', befahl er kurz und half Charlotte nach oben. Er startete den Motor, der erst bei mehreren Versuchen bereit war, zu gehorchen. Als sich der Wagen in Bewegung setzte, ging ein hörbares Aufatmen durch die kleine Gruppe. Die Räder gruben sich durch den tiefen Schnee. Weiße, dicke Schneewehen, die kaum die Sicht auf die Straße freigaben, bahnten sich den eigenen Weg. Monoton klang das Geraspel der Scheibenwischer, die ununterbrochen versuchten, der weißen Masse Herr zu werden. 'Wie lange wir wohl noch so fahren?', fragte eine weibliche Stimme leise.