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Leseprobe für das Buch OSTWÄRTS nach Thüringen
Licht und Schatten auf dem Pferdehof
von Ulrich Schmelzer:

Mein Plan - ab in den Osten
Wilseno galoppierte kraftvoll und rhythmisch durch den Parcours. Die In-Outs, die Steilsprünge, die zweifache Kombination, alles war überhaupt kein Problem für den großen dunkelbraunen Bayernwallach, der in beiden Disziplinen bis zur schweren Klasse ausgebildet war. Er nahm die Sprünge so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk.
Ich hatte schon verdammtes Glück gehabt, durch Auslosen ausgerechnet dieses tolle Pferd zum Springen ergattert zu haben. Nur noch 2 Hindernisse - wenn ich dort ebenfalls fehlerfrei bliebe, wäre es geschafft. Dann hätte ich auch die letzte Teilprüfung zum Pferdewirtschaftsmeister bestanden. Als hätte er gespürt, um was es für mich ging, nahm sich Wilseno vor der letzten Distanz von selbst auf. Oder hatte ich mich - wie geplant - doch mehr aufgerichtet und kam dadurch absolut passend zur Triple Barre, die er souverän sprang? So, noch fünf Galoppsprünge und dann kam ich an den letzten Sprung, ein richtiges 'Haus', ein auf Endmaß hochgezogener Oxer. Direkt neben dem Sprung stand die Prüfungskommission und alle schauten mir erwartungsvoll entgegen. Zum Glück war ich schon immer ein Prüfungsmensch, der sich nie besonders aufregte, wenn es um die Wurst ging. Genau deshalb fiel mir auch im entscheidenden Moment noch die Ermahnung von Peter Wallner, dem Ausbildungsleiter in Achselschwang, ein: 'Du darfst bei Wilseno nie am Absprung drücken! Bleib einfach ganz ruhig sitzen und warte, bis der Sprung da ist.' Aber leider flatterten genau jetzt meine Nerven und ich machte natürlich direkt am letzten Galoppsprung vor dem Absprungpunkt noch einmal richtig die Schenkel zu. Ich spürte genau, wie Wilseno sich spannte und dann wie eine Rakete auf groß abhob. Er hatte sich durch meine Unbeherrschtheit mächtig erschrocken und sich gefühlte zwei Meter übersprungen. Ich hatte aber über dem Sprung noch gut mit der Hand nachgegeben, versucht, ein freundliches und cooles Gesicht zu machen und gehofft, dass mein Fehler niemandem aufgefallen war.
Aber anscheinend sah das gewollt und sehr spektakulär aus, denn ich hörte ein anerkennendes Raunen von den anderen Prüflingen, meinen Mitstreitern, auf der Tribüne. Im Ziel dachte ich sogar noch daran, mich bei dem Pferd für die fehlerfreie Runde zu bedanken und ihm den Hals zu klopfen, was mir bei den Prüfern noch ein Lob und die Note 2 für die Teilprüfung 'Springen' einbrachte.
Es war Anfang Dezember und die ersten Schneeflocken tanzten in der Luft, dazu pfiff in Achselschwang am Ammersee ein eisiger Wind, als ich Wilseno nach dem Springen aus der Reithalle zum Schulpferdestall führte. Obwohl ich nur ein Hemd und das dünne Turnierjackett trug, spürte ich die Kälte überhaupt nicht, ich war noch so erhitzt und auch erleichtert, nun endlich mein Ziel der letzten zwei Jahre erreicht zu haben - das machte mich überglücklich. Wahrscheinlich strahlte ich wie ein Honigkuchenpferd, als ich wenig später an Peter Wallner vorbeilief, denn er meinte nur lachend in seiner ihm eigenen charmanten Art und im tiefsten urbayrischen Dialekt: 'Du bist scho a Hund, a verdammter.' Wer ihn kannte, der wusste genau, dass so eine Aussage schon fast als Kompliment zu werten war.
Als die gesamte Gruppe der Meisteranwärter ihre Ritte beendet hatte, fanden sich alle zur Notenbekanntgabe im Verwaltungsgebäude ein. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, als meine Noten vorgelesen wurden. Ich hatte durchweg gute Noten erreicht. Das 'sehr gut' in 'Pferdebeurteilung' hatte ich aber ehrlich gesagt dem Umstand zu verdanken, dass die Rangierung vollkommen logisch war, weil die Unterschiede zwischen den einzelnen zu bewertenden Stuten so eindeutig ausfielen, dass selbst ein absoluter Laie zu demselben Ergebnis gekommen wäre. Zu meinem Glück hatte mir Reiner, ein Bereiter des Betriebes, mit dem ich mich gut verstand, verraten, dass eine schwarze Staatsprämienstute unter den vorgestellten Pferden sei. Da diese Stute ihre Staatsprämie sicher nicht zu Unrecht erhalten hatte, schilderte ich in der mündlichen Erläuterung die Vorzüge ihres Körperbaus und ihre tollen Bewegungen, bis ich den Prüfer überzeugt hatte.
Auch das zweite 'sehr gut' in 'Pferdepflege' hatte ich fremdverdient. In diesem Prüfungsfach wurden sowohl die tägliche Stallarbeit während des vierwöchigen Lehrgangs als auch das Herausbringen der Pferde zur Prüfung benotet. Da ich mich während des Lehrgangs mit den Lehrlingen des Hofes angefreundet hatte, waren sie gerne bereit für 20 Mark und eine Schachtel Zigaretten für jeden von ihnen meinen Stalldienst zu übernehmen und meine beiden Prüfungspferde einzuflechten. Sie halfen mir dann auch noch sehr in dem Prüfungsfach 'Praktische Lehrlingsunterweisung', indem sie meine Erklärungen und Anweisungen sofort richtig umsetzten. So nett waren sie nicht bei allen Prüflingen.
Am Abend der Abschlussprüfung trafen sich alle Prüfungsteilnehmer in der Reiterklause und es wurde kräftig gefeiert. Auch Peter Wallner ließ es sich nicht nehmen, mit seinen 'Strategen' und 'Experten' (so nannte er immer seine unbelehrbaren Schüler) auf die bestandene Meisterprüfung mit der einen oder anderen Maß Bier anzustoßen. Wallner nannte mich immer den Fjordhunter, da er wusste, dass ich zum einen Fjordpferde -die Freunde meiner Kindheit- züchtete und zum anderen Vielseitigkeit ritt.
Peter Wallner war in Achselschwang, in Bayern und ich glaube, auch im Rest der Welt eine Legende und als kauzigster Reitlehrer überhaupt bekannt. Viele seine Schüler behaupteten, dass Peter Wallner im früheren Leben selbst einmal ein Pferd gewesen sein müsste. Wallner war ca. 50 Jahre alt und untersetzt. Wenn man ihn kennenlernte, war er zu Anfang immer sehr ruppig und grantig und hatte immer und zu jedermann einen bösen, fast beleidigenden Spruch auf den Lippen. Einige Leute aus unserem Kurs behaupteten, dass Wallner wohl immer den ganzen Abend vor dem Spiegel stehe und neue Sprüche einstudiere. Entweder ließ man sich sofort von ihm und seinem 'Charme' einschüchtern und hasste ihn, oder man schaute hinter die Kulissen und entdeckte hinter der rauen Schale einen begnadeten Pferdekenner. Wenn Peter Wallner morgens in den Stall kam um zu sehen, ob alle Kursteilnehmer fleißig am Misten waren, rief er laut 'Grüß Gott!' in die Runde und alle Pferde antworteten ihm und wieherten zurück.
Es wurde ein langer und feuchtfröhlicher Abend mit so viel Alkohol, dass wir einige der frischgebackenen Pferdewirtschaftsmeister spät in der Nacht mit der Schubkarre von der Reiterklause quer über den Hof in ihre Quartiere befördern mussten.
Mich hatte es zum Glück nicht allzu sehr erwischt. Nach drei Tassen Kaffee, zwei Kopfschmerztabletten und einer großen Abschiedszeremonie, bei der alle untereinander die Adressen austauschten, konnte ich am nächsten Morgen einigermaßen fit die Heimreise antreten, um meinen Termin beim landwirtschaftlichen Beratungsdienst in Rosenheim wahrzunehmen.
Die Stunde Fahrtzeit dorthin nutzte ich dazu, ein bisschen geistige Inventur zu machen. Also, ich war jetzt 30 Jahre alt, hatte eine verständnisvolle Freundin, durfte mich seit gestern Pferdewirtschaftsmeister nennen, hatte noch zwei Jahre lang eine kaufmännische Ausbildung absolviert und besaß ein kleines Sümmchen Geld auf dem Konto, weil ich vor Kurzem meinen ersten eigenen Pferdehof in der Oberpfalz gut verkauft hatte. Gekauft hatte ich dieses alte Gehöft vor etwa drei Jahren und seitdem immer nur renoviert, um- und neugebaut. Eigentlich stand es für mich gar nicht zur Debatte den Hof wieder zu verkaufen, den ich zusammen mit meiner Schwester, deren Kindern und ihrem Lebensgefährten bewohnte. Ich bewirtschaftete den Pferdehof im Nebenerwerb, hauptberuflich war ich als Hundeführer tätig. Aber wie es so ist, kommt immer alles ganz anders.