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Leseprobe für das Buch Wie an dem Tag
Eine Familiengeschichte, eingebettet in die Zeit und das politische
Geschehen Deutschlands ab 1860 bis hin zur Gegenwart
von Brigitte Tasche:

7. Kapitel, 1948 bis 1950
Die Zeit bis zum Beginn der Ausbildung verbringt Juliana mit ihren Eltern an der Ostsee, wo sie bei einem Fischer wohnen, einem guten Bekannten aus Vaters Seefahrtszeiten.
Juliana ist überglücklich. Wie oft hat sie schon davon geträumt, am Meer zu sein, hinauszuschwimmen in die unendliche Weite. Sie kann sich nun nicht satt sehen an der wechselvollen Schönheit des Meeres, das den Himmel spiegelt, das mit sanfter Lieblichkeit freundlich lächeln kann, aber auch mit brausender Gewalt beängstigend zu drohen vermag, wenn der Sturm es peitscht und die Brandung mit schäumender Gischt ans Ufer rollt.
Oft wandert sie am Strand entlang. Manchmal begleitet sie dabei der Vater.
Ein überaus trauriges Bild bietet die Brandungsmauer am Streckelberg. Durch Beschuss im Krieg ist ihr in das aus Granit gebaute Mauerwerk ein tiefes Loch gerissen worden, durch das die Brandung nun mit Macht eindringen kann. Ein großes Stück Wald haben die Wellen sich schon vom Berg geholt, der nun aussieht, als hätte man ihm in seinen steilen Hang eine tiefe Wunde geschlagen.
Eines Tages sieht Juliana dort an der Brandungsmauer einen Maler sitzen. Als sie näher tritt, um einen Blick auf die Staffelei zu tun, erkennt sie den Mann. Er ist der Vater eines ihrer Kindergartenkinder. Dass dies Ölgemälde, das hier entsteht, sie einmal ihr ganzes Leben lang begleiten wird, kann sie natürlich nicht ahnen. Wie kann sie auch wissen, dass es ihr zum nächsten Weihnachtsfest von ihren Eltern geschenkt werden wird?

Bei einem Spaziergang mit Vater kommen sie nach Lüttenort, wo in einer Bucht im Achterwasser ein Zweimaster liegt. Ein fast wie ein Seemann aussehender Herr kommt auf sie zu, der, als er merkt, dass Vater für sein Schiff Interesse zeigt, sie einlädt, den Zweimaster zu besichtigen. So lernen sie den Kunstmaler kennen und bewundern sein malerisches Anwesen. Der Maler lädt sie sogar zu einer mehrtägigen Segeltour rund um die Insel Rügen ein.
'Wie fein', sagt er lächelnd zu Vater, 'wir zwei Männer hätten dann, wie mein Malerauge mir sagt, in ihrer Tochter sogar ein hübsches weibliches Wesen, das für uns sorgen würde.'
Juliana ist begeistert, und kann nicht recht verstehen, warum Vater diese Einladung dankend ablehnt.
Sie brauchen jedoch auf Segeltouren nicht zu verzichten, denn Vaters Fischerfreund stellt ihnen sein Segelboot zur Verfügung. 'Es liegt noch immer am Fischerstrand', sagt er, 'ich benutze es nicht mehr. Ich fahre jetzt lieber mit meinem Motorboot auf Fang. Ihr müsst nur darauf achten, dass ihr stets das Ösfat, die hölzerne Schöpfkelle, im Boot habt, wenn ihr hinausfahrt, denn ich fürchte, der alte Kahn, der nur selten noch ins Wasser kommt, wird ein wenig leck sein.'
Mutter bleibt lieber im Strandkorb sitzen, wenn die beiden Abenteurer in See stechen. Nach ein paar Tagen, sie sind gerade dabei, das Boot vom Strand ins Wasser zu schieben und den Anker zu lichten, gesellt sich ein junger Mann zu ihnen und bietet seine Hilfe an.
'Würden Sie mich wohl auch einmal mit hinausnehmen?', fragt er dann, und als Vater ihn einlädt, steigt er begeistert ins Boot. Vater sitzt am Steuer, Juliana lässt, sobald sie in tieferes Wasser kommen, das Schwert hinab und bedient nach Vaters Weisung die Segel. Das Boot nimmt Fahrt auf. Damit sie keine nassen Füße bekommen, greift Juliana immer wieder einmal schnell zum Ösfat und schöpft damit das Wasser heraus, das sich unter den Latten am Boden des Bootes ansammelt.
'Bitte', sagt der junge Mann, 'das kann ich doch tun', und lässt sich von Juliana das Ösfat geben. Doch nach einer Weile hält er inne und meinte verwirrt: 'Ich glaube, das Schöpfen vertrage ich nicht, denn allein das Schaukeln des Bootes macht mir ja schon ein wenig zu schaffen.'
Er sieht Juliana fragend an: 'Wie halten Sie das nur aus? Na, Sie sind eben eine echte Seemannstochter.'
'Da hat er recht', denkt diese, und Vater und Tochter lächeln sich zu.
Nun wird der junge Mann ihr ständiger Begleiter auf ihren Segeltouren. Stets hat er seinen Fotoapparat dabei und macht Aufnahmen.
Dass sie bei ihren Segeltouren von der Küstenwache beobachtet werden, ahnen sie nicht. Jedoch, eines Tages werden sie darauf hingewiesen, dass sie bei ihrem etwaigen Versuch, das Gebiet der DDR zu verlassen, scheitern würden, denn die Wächter hätten sie schon lange in ihren Fernrohren. Mit den schnellen Motorbooten würden sie gewiss sehr bald eingeholt.
Morgens in der Frühe aber läuft Juliana allein zum Strand und schwimmt, wie in ihrem Traum, dem Himmel entgegen. Zurückgekehrt, kann sie dann die Arme ausbreiten und jubelnd rufen:


Nichts will ich mehr haben als nur die Sonne sehn,
am Meeresrausch mich laben und froh im Winde stehn.
Ich heb die Hände, lobe, preise meinen Herrn,
sag zu ihm ganz leise: Ich hab das Leben gern.

An meine Tochter Juliana!

Meine liebe Juliana!

Wenn Du diese Zeilen in Deinen Händen hältst, bin ich schon nicht mehr auf dieser Welt. Zunächst möchte ich Dir danken für all Deine Liebe und Fürsorge. Du warst mir stets eine gute Tochter, und mein ganzes Bestreben war, Dir eine gute Mutter zu sein.
Nur mit zagendem Herzen wage ich zu hoffen, dass mir Gott der Herr gnädig sein wird und mich mit der Schuld, die auf meinem Gewissen liegt, in sein Reich aufnehmen wird. Ehe ich aber von dieser Welt gehe, möchte ich Dir, meiner lieben Juliana, anvertrauen, was mich mein Leben lang belastet hat, was mich nie so recht zur Ruhe hat kommen lassen. Auch habe ich wohl gespürt, dass Du Dir so manches Mal Gedanken über Deine Mutter gemacht hast.
Wie Du ja weißt, war ich schon als Kind dem Theater verfallen. Es war die Welt, die meinem Leben Glanz verliehen hat. Aus dem Kind wurde ein junges Mädchen, das den Verlockungen einem jener Männer, die im Theater einen Glorienschein tragen, nicht widerstehen konnte.
Die Schwangerschaft verbarg ich, auch vor meinen Eltern, denn ich schämte mich so sehr. Hatten sie mich doch vor den Gefahren, die mir in einem solchen Umfeld begegnen könnten, genügend gewarnt.
Dann sorgte der Vater des Kindes für einen geheimen Ort, wo das Kind, ein Junge, zur Welt kam und zur Adoption freigegeben wurde.
Ich habe zunächst all dies Geschehen verdrängt, habe versucht, es gänzlich aus meinem Bewusstsein zu verbannen. Ich war ja noch so jung. Wie hätte ich denn für das Kind sorgen können? Dennoch habe ich gespürt, dass im Unterbewussten die Schuld an mir genagt hat.
Als ich Deinen Vater kennenlernte und Du dann geboren wurdest, habe ich nur noch für Euch beide gelebt. Euch habe ich mehr als das Theater geliebt, obwohl es mir mitunter schon etwas schwergefallen ist, nicht doch manchmal an das bunte Leben im Tempel der Muse zu denken.
Nach dem Tod Deines Vaters habe ich den Mut gefunden, zu erforschen, was aus dem Kind, das ich aus meinem Herzen verbannt hatte, geworden ist. Als mir bekannt war, wo ich mein Kind finden kann, habe ich nicht die Kraft gehabt, Verbindung zu ihm aufzunehmen. Ich weiß, dass ich nicht von Dir verlangen kann, diesen Schritt zu tun. Du sollst ganz frei sein in Deiner Entscheidung. Natürlich darfst Du Dich mit Armin beraten. Um eins aber bitte ich Dich von Herzen: Verzeih Deiner Mutter, verzeiht mir alle. Verzeih mir auch, dass ich Dich nie in die Arme genommen habe, Dich nie so richtig an mein Herz drücken konnte. Ich dachte, mit der Schuld in meiner Seele hätte ich kein Recht dazu. Aber in Gedanken habe ich Dich stets ganz eng umschlungen.

Es liebt Dich Deine Mutter.

P.S. Das beiliegende Schreiben sagt Dir, wie und wo Du Deinen Halbbruder finden kannst.

Armin findet am Abend eine sehr nachdenkliche Juliana vor. Sie reicht ihm den Brief der Mutter. Nach einer Weile des Nachdenkens sagt er dann: 'Du hast doch manchmal darüber gegrübelt, was wohl in der Seele deiner Mutter vorgehen mag. Hier nun hast du des Rätsels Lösung. Wie viel leichter wäre es ihr gewesen, wenn sie ihr Geheimnis nicht bis an das Ende ihres Lebens allein getragen hätte. Wir hätten sie doch nicht verdammt. Vielleicht hätte sie mit uns zusammen den Mut gefunden, ihr Kind, das ja längst ein älterer Herr ist, aufzusuchen. Werden wir das nun an ihrer Stelle tun?' Juliana schmiegt sich an Armin.
'Meine arme Mutter. Was hat sie ihr Leben lang für eine Last tragen müssen. Ja, Armin, wir werden Mutters Wunsch erfüllen, aber ich brauche noch ein wenig Zeit dazu.'

Nach dem Tod der Mutter hat das Pfarrhaus nur noch drei ständige Bewohner. Allerdings herrscht dann in den Urlaubstagen oder an Feiertagen oft ein fröhliches Jugendleben im Haus, denn die beiden Studenten bringen hin und wieder Freunde mit. Amelie genießt diese Tage besonders. Die beiden Brüder lassen ihre Schwester an allem, was sie unternehmen, teilhaben, und so fühlt sie sich ganz mit hineingenommen in das studentische Leben, und sie träumt schon davon, in absehbarer Zeit auch ein Studium beginnen zu können.

Amelie ist es doch tatsächlich gelungen, Schülerin der Erweiterten Oberschule zu werden. So wird sie dort ihr Abitur ablegen können.
Eines Tages, kurz nach Amelies Konfirmation, hatte Juliana einen Elternabend besucht. Armin hatte nicht daran teilnehmen können, weil er andere Verpflichtungen an diesem Tag wahrnehmen musste. An diesem Abend nun ging es unter anderem auch darum, wer am Ende des Schuljahres für den Besuch der Erweiterten Oberschule vorgeschlagen werden kann. Juliana hatte ihren Ohren nicht trauen wollen, als plötzlich der Name ihrer Tochter genannt worden war. Nach der Versammlung hatte Juliana die Klassenlehrerin angesprochen. Diese, eine stramme SED-Genossin, Mathematik und Deutschlehrerin, hatte sich bisher Amelie gegenüber stets loyal verhalten.
'Bitte', hatte nun Juliana gesagt, 'machen Sie Amelie keine falschen Hoffnungen. Ich möchte nicht, dass sie am Ende doch enttäuscht wird.'
'Seien Sie unbesorgt', war die Antwort der Lehrerin gewesen, 'ich habe es bereits mit dem Schulleiter ausgefochten, indem ich ihn davon überzeugt habe, dass es doch töricht wäre, solch ein Mädchen, dass unsere Schule bei Mathematikolympiaden und bei Schulkonzerten so erfolgreich vertreten hat, nicht zum Abitur zuzulassen.'
Dankbar für diese Worte hatte daraufhin Juliana die Hand der Lehrerin gedrückt. Als diese Tränen der Freude in Julianas Augen aufsteigen sah, waren auch ihre Augen feucht geworden.

So ist nun Amelie seit 1976 Schülerin der 'Erweiterten Oberschule.' Gleich in den ersten Schultagen dort hat sie sich genötigt gefühlt, ein Bekenntnis abzulegen.
Im Staatsbürgerkunde-Unterricht hat der Lehrer eine spöttische Bemerkung über die Christen gemacht und daraufhin lächelnd gesagt: 'O, vielleicht ist tatsächlich ein Christ unter uns? Hoffentlich fühlt der sich jetzt nicht auf den Schlips getreten.'
Da ist Amelie aufgestanden und hat bekannt: 'Ja, ich bin ein Christ, und ich finde es nicht gut, wenn über Christen gespottet wird.'
In der folgenden Zeit macht dieses Bekenntnis ihr allerdings manches Mal das Leben schwer, und sie meint einmal stöhnend: 'Liebe Eltern, ihr hättet mich zuerst Theologie studieren lassen müssen, ehe ihr mich in so eine Schule gehen lasst. Wie soll ich denn immer die richtigen Antworten geben können, wenn der Staatsbürgerkundelehrer mich zum Beispiel fragt: 'Na, Amelie, was sagen Sie denn nun als Christ zum Geschehen im Dreißigjährigen Krieg. Warum hat da Ihr Gott all die Grausamkeiten zugelassen, die sich Christen gegenseitig angetan haben? Und waren etwa die Hexenverbrennungen rechtens, die der Klerus nicht nur zugelassen hat, sondern auch noch gern das Vermögen der Opfer konfisziert hat? Aber warum so weit in die Vergangenheit schweifen? Haben etwa die Kirchen dem Holocaust die Stirn geboten? Wie alle anderen haben auch sie geschwiegen.'
Armin hat bei diesen Worten seine Tochter tröstend in den Arm genommen und gemeint: 'Gott verlangt von dir bestimmt nicht, dass du immer sofort die richtigen Antworten parat hast. Es genügt ihm sicher, dass du dich zu deinem Glauben bekannt hast, auch auf die Gefahr hin, dadurch mit Schwierigkeiten konfrontiert zu werden. Du bist mein tapferes Mädchen, und ich habe dich sehr lieb.'
Ein herzhafter Kuss bestätigt noch die väterliche Liebeserklärung.